Sonntag, 6. Dezember 2015

Ein paar Gedanken zur Abgeltungssteuer

Die Regelung des § 20 Abs. 9 EStG ist verfassungswidrig, weil sie Anleger in ihren Grundrechten aus Artikeln 2, 3 und 14 GG verletzt.



Es ist zwar richtig, dass der Gesetzgeber im Steuerrecht berechtigt ist, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit im Einzelfall verbundenen Härten gegen das Prinzip der Belastungsgleichheit zu verstoßen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die mit dem Werbungskostenabzugsverbot verbundenen Härten nicht nur einzelne Fälle betreffen, sondern vielmehr die Mehrheit der Kapitalanleger, jedenfalls aber eine große Zahl von Kapitalanlegern.




Bei alledem ist kein sachlicher Grund erkennbar, Anleger, die in eine Kapitalgesellschaft investieren, gegenüber solchen, die in eine Personengesellschaft investieren, schlechter zu stellen. Genau das aber geschieht mit § 20 Abs. 9 EStG und begründet einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und zugleich einen solchen gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Das Werbungskostenabzugsverbot stellt nämlich einen unangemessenen, nicht durch verfassungsrechtlich anerkannte Gründe gerechtfertigten Eingriff in die Freiheit, nach eigenem Gutdünken über die Anlage des eigenen Vermögens zu entscheiden, dar. Diese Freiheit ist Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit.




Die Einschränkung dieser Freiheit mit dem Argument, dass sonst die Abgeltung durch Kapitalertragsteuerabzug nicht administrierbar sei, ist nicht möglich. Es ist zunächst nicht Aufgabe des Steuerbürgers, dem in seine Vermögensrechte eingreifenden Staat diesen Eingriff möglichst einfach zu machen. Es ist vielmehr Aufgabe des Staates - im Sinne eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats - den Bürger so wenig wie möglich zu belasten und damit einhergehend auch Steuergesetze und Finanzverwaltung so bürgerfreundlich wie möglich zu gestalten. Es wäre ohne weiteres möglich, trotz Kapitalertragsteuerabzug im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer Werbungskosten zu berücksichtigen. Auch die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG erfordert z. B.  einen gewissen Verwaltungsaufwand.




In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass die Abgeltungssteuer nicht etwa als Wohltat für den Steuerbürger eingeführt worden ist, sondern vielmehr in der Hoffnung, dass nach ihrer Einführung "schwarzes" Auslandsvermögen in das Steuerinland verlagert wird und dann als Steuersubstrat zur Verfügung steht. Nachdem nun der automatische Informationsaustausch in Steuersachen  mit allen relevanten Staaten beschlossene Sache ist, wird daher ja auch die Abschaffung der Abgeltungssteuer ernsthaft diskutiert. Sie ist mehr oder weniger beschlossene Sache.




Jedenfalls in Fällen der Fremdfinanzierung einer Kapitalanlage hat das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG eine erdrosselnde Wirkung, die der Gesetzgeber nicht berücksichtigt hat, obwohl er sie hat berücksichtigen können und müssen. Der Steuerbürger wird in diesen Fällen nämlich über seine Leistungsfähigkeit hinaus besteuert, weil seine im Rahmen der Anlage anfallenden Erwerbsaufwendungen nicht berücksichtigt werden.




Aus den dargestellten Gründen stellt das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG auch einen Verstoß gegen die in Art. 14 Art. 1 GG verbürgte Eigentumsfreiheit dar. Die Eigentumsfreiheit ist Grundlage der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. In sie darf nur unter engen Voraussetzungen eingegriffen werden. Die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Eigentumsfreiheit geht der Bequemlichkeit des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung vor.


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