Sonntag, 21. Mai 2023

Darf man Finanzbeamte wecken? Ja, man darf - und muss!

Im Dezember 2021 lege ich für meine Mandantinnen - GmbH und Gesellschafter-Geschäftsführerin - Einsprüche gegen eine Reihe von Steuerbescheiden ein und beantrage AdV. Die wird abgelehnt. Wir ziehen vor das Finanzgericht.

So weit, so gut (oder schlecht).

Das Finazgericht folgt meiner Auffassug, dass für die Jahre 01 bis 05 geänderte Steuerbescheide nicht ergehen dürfen. Die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO greife nicht. Tatsachenfeststellungen, die für eine Steuerhinterziehung bezogen auf diese Jahre sprechen würden, seien nicht getroffen. Das Finanzamt ist empört. Die drei Berufsrichter weisen in einem gemeinsamen Erörtertungstermin unisono auf § 96 FGO - Überzeugungsbildung - hin. Auch für die unstreitig nicht festssetzungsverjährten Zeiträume haben sie Bedenken, die sich aber nur auf die Höhe der Zuschätzungen beziehen. Am Ende gibt es AdV.

Lange geschieht nichts. Ich rege Abhilfe für 01 bis 05 an. Nein, wir bleiben bei unserer Rechtsauffassung. Im Dezember 2022 folgt ein Erörterungstermin nach § 364a AO (beantrage ich nahezu immer). Nichts neues außer einem Angebot, das Zuschätzungen in geringerem Umfang für 01 bis 05 enthält. Das Angebot kann bis zum 31.01.2023 angenommen werden. Ich beantrage im Januar kurze Fristverlängerung. Antwort: Bekommen Sie. Wenn aber bis zum 15.02.2023 keine Antwort vorliegt, gehen am 16.02.2023 die Einspruchsentscheidungen raus.

Es passiert was? Nichts!

Im April dann der Hinweis, dass Untätigkeitsklage nach § 46 FGO ins Auge gefasst wird. Anruf der Rechtsbehelfsstelle, wonach die Einspruchsentscheidungen in der Woche ab dem 15.05.2023 das Haus verlassen. Es müsse der zuständige Fahnder mit "drübergucken", Abhilfe gebe es aber nicht. Aha.

Am 09.05.2023 dann der Anruf, die Einspruchsentscheidungen kämen erst Ende Mai. Die Sachgebietsleitern, die persönlich anrief, gehe ja noch für zwei Wochen in Urlaub. Ich das Gespräch am nächsten Tag schriftlich zusammen, was dann zu einem weiteren Anruf am 11.05.2023 führt. Ich hätte da etwas falsch verstanden. Es ginge nicht um den Urlaub der Sachgebietsleiterin, sondern um Ausdrucke, die der Einspruchsentscheidung beizufügen seien, aber in einem Rechenzentrum der Finanzverwaltung ausgedruckt werden müssten. Das dauere so ca. drei Wochen. 

Außerdem sei die Sechs-Monats-Frist des § 46 FGO noch gar nicht abgelaufen. Die laufe nämlich bei jedem Behördenhandeln neu an. Steht im Gesetz leider anders.

Und Urlaub, Krankheit, Arbeitsüberlastung usw. sind keine Gründe, eine Einspruchsentscheidung hinauszuschieben. Nach mehr als dem Doppelten der "Regelfrist" von sechs Monaten ist nach Ansicht des BFH eine Untätigkeitsklage zulässig.

Und die haben wir dann auch erhoben.