Vorab: Lange nicht alle Finanzbeamten und Richter sind so, wie nachstehend dargestellt.
Man könnte meinen, dass alle Finanzbeamten und Richter sich ihrer Verantwortung bewusst sind, sorgfältig arbeiten und sich als Diener des Souveräns, dem Volk (Art. 20 Abs. 2 GG), verstehen. Ein Fall, der das Finanzgericht und das Landgericht D. sowie das für Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt V. betrifft, belegt leider etwas anderes:
Gegen einen von mehreren Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts D. (Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers) wird Beschwerde eingelegt, weil die Begründung - es geht um Steuerrecht - schlicht hanebüchen ist. Nach acht Monaten und zwei Wochen entscheidet der zuständige Spruchkörper des Landgerichts. Er entscheidet aber zu einem anderen Durchsuchungsbeschluss als dem angefochtenen. Damit nicht genug: Es wird dann auch gleich noch ein Schriftsatz des Beschwerdeführers erwähnt, den es nicht gibt. Allerdings entspricht das Datum dieses angeblichen Schriftsatzes dem des angefochtenen Beschlusses. Auch wird eine neue Steuer namens Kapitalsteuer vom Spruchköper erfunden und ein Kleidungsstück - Mantel - erwähnt, so dass aus Sicht des Spruchkörpers kein Zweifel daran bestehen kann, das ein Abgrund von allerschändlichster Steuerhinterziehung im Grunde schon bewiesen ist.
Eigentlich müsste der Beschwerdeführer ja schon froh sein, dass nicht weitere Kleidungsstücke mit Ziel einer doppelten Besteuerung oder - besser - lebenslangen Inhaftierung bei vollständiger Enteignung angeführt werden. Ist er aber nicht und besorgt, dass die Kammer befangen ist, was er dann auch durch seinen Verteidiger zu Papier bringen lässt. Es folgen gleichlautende dienstliche Äußerungen der dem Spruchkörper angehörenden Justizpersonen. Sie teilen mit, dass man übersehen habe, gegen welchen der zahlreichen Beschlüsse sich die Beschwerde richte. Hierzu teilt der Verteidiger mit, dass man das hätte leicht erkennen können, weil das Aktenzeichen des angefochtenen Beschlusses ganz oben in der Beschwerdeschrift angegeben sei.
Ein anderer Spruchkörper hat dann judiziert, dass bei umfangreichen Akten (war hier nicht der Fall) und einer Mehrzahl von Durchsuchungsbeschlüssen es ja durchaus vorkommen könne, dass Richter zu einem Beschluss entscheiden, der gar nicht Gegenstand der Beschwerde ist. Und auch die Erwähnung von tatsächlich nicht existierenden Schriftsätzen sei völlig unverdächtig, wobei mit Kapitalsteuer dann auch die Kapitalertragssteuer gemeint sei, was doch auf der Hand liege. Dass die Kapitalertragsteuer eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer ist, die entweder vom Schuldner der Kapitalerträge oder von einem Kreditinstitut für Rechnung des Gläubigers einbehalten und abgeführt wird, fällt wahrscheinlich aus Sicht der entscheidenden Justizpersonen in das Geheimwissen dubioser Kreise.
Die Besorgnis des Beschwerdeführers sei völlig unbegründet.
Zwischenergebnis Nr. 1: Richter dürfen sich irren!
Etwa fünf
Jahre später stellt sich heraus, dass der Vorwurf der Steuerhinterziehung in
siebenstelliger Höhe nicht zu halten ist. Es bleibt der Vorwurf eines
niedrigverzinslichen Darlehens und einer damit verbundenen
Schenkungsteuerhinterziehung. Die Staatsanwaltschaft schlägt Einstellung des
Verfahrens nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von sage
und schreibe 10.000,00 EUR vor. Der Beschuldigte nimmt an und zahlt, weil mit dieser Einstellung kein Strafmakel verbunden ist.
In engerem zeitlichem Zusammenhang, nämlich im Juli 2023, meldet sich das für den Wohnort des Beschuldigten a. D. (nachfolgend „H.“) das für Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige Finanzamt V. Es will eine Schenkungsteuererklärung haben. Der Anwalt des H. schreibt, dass er entgegen der Rechtsprechung des BFH in einem sog. niedrigverzinslichen Darlehen (siebenstellige Summe, Zinssatz 1 %) keine Schenkung sehe. Die Parteien des Darlehensvertrages seien Staatsbürger eines deutschsprachigen Landes, aber eben keine Deutschen. Eine der Vertragsparteien lebe in Asien. Es gelte die Privatautonomie. Darlehensgeber und -nehmer würden sich seit Jahrzehnten und Studienzeiten in einer wunderschönen europäischen Stadt kennen und einander vertrauen, weil sie die Verhältnisse des jeweils anderen daher sehr gut einschätzen könnten.
Es folgt was? Ein Schenkungsteuerbescheid mit Datum vom 18.07.2024. Sachbearbeiter ist Herr Ru. Es wird aber nicht nur die angebliche Schenkung „geschätzt“ besteuert. Angesetzt wird zur Strafe auch eine Vorschenkung in Höhe von 50.000,00 EUR, weil ja keine Schenkungsteuererklärung abgegeben wurde. Anhaltspunkte für eine Vorschenkung gibt es nicht. Als Bezugsgröße gilt ein angemessener Zinssatz von 3 % und zwar auf der Grundlage eines gleichlautenden Erlassess der obersten Finanzbehörden der Länder vom 09.09.2022 (Finanzministerium des Landes NRW, 09.09.2022, S 3103-000002 2022-0004955 VA6, FMNR202202043) angegeben. Nach Einspruch und AdV-Antrag wird AdV (Aussetzung der Vollziehung) gewährt.
Mit Datum vom
06.11.2024 folgt ein zweiter Schenkungsteuerbescheid. Sachbearbeiter ist Herr
Ka. Gleicher Sachverhalt, aber anderer Schenker. Nun wird eine Ltd. als Schenker
benannt, im ersten Bescheid ist es deren wirtschaftlicher Berechtigter. Es folgt
nach Einspruch und AdV-Antrag einschließlich Hinweis auf den ersten Bescheid ein
Telefonat mit Herrn Ka.,
in dem der Rechtsanwalt des H. auch auf eine mögliche Amtshaftung für die Gebühren, die durch den zweiten Einspruch entstehen, hinweist. Auf
Nachfrage sagt der Sachbearbeiter, dass da wohl etwas schiefgelaufen sei, die
Rechtsbehelfsstelle arbeite an einer Lösung. Die Lösung bestand darin, sich
schriftlich ahnungslos zu geben und AdV zu verweigern, weil man gar nicht erkennen
könne, was an dem zweiten Bescheid falsch sei. Es folgt ein AdV-Antrag beim Finanzgericht D.
mit der Begründung, es könnten zu ein- und demselben Sachverhalt nicht zwei voneinander
unabhängige Bescheide ergehen; der zweite Bescheid sei nichtig. Das sieht der
Berichterstatter anders. Auch der Hinweis des Rechtsanwalts auf §§ 121, 126 AO
überzeugt ihn nicht. Dass der erste Bescheid nicht längst aufgehoben wurde,
ficht den Herrn Berichterstatter auch nicht an. Der Hinweis auf § 365 Abs. 3 AO
verfängt bei ihm sowieso nicht. Ob der Herr Berichterstatter in einem früheren Leben vielleicht Finanzbeamter war, ist nicht bekannt.
Der Herr Berichterstatter setzt noch einen „drauf“. Das Finanzamt V. könne den zweiten Bescheid auch verbösern, weil man auch mit 5,5 % statt 3 % rechnen dürfe. Das ergebe sich aus § 15 Abs. 1 BewG. Von einer Selbstbindung der Verwaltung aufgrund des Erlasses vom 09.09.2022 könne keine Rede sein. Warum wird dann bei beiden Bescheiden genau nach diesem Erlass gerechnet. Und wahrscheinlich in unzähligen Fällen bundesweit auch? Das Urteil des BFH v. 31.07.2024 zu II R 20/22 kam für H. leider zu spät.
Das Finanzamt V. droht die Verböserung für den Fall an, dass der Einspruch nicht zurückgenommen wird. Insoweit ist zu ergänzen, dass der erste Bescheid vom Juli 2023 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, der zweite vom November 2023 aber nicht, wovon der Rechtsanwalt des H. aber irrtümlich ausging, und zwar auch im Rahmen eines Telefonats mit der Dame von der Rechtsbehelfsstelle. Seine eidestattliche Versicherung zu dem Telefonat enthält u. a. folgendes:
„Ich habe am
13.03.2024 um 14:07 Uhr mit Frau Ro. vom Finanzamt V. telefoniert. Dieses
Telefonat hat nach meinen Aufzeichnungen 5 Minuten und 50 Sekunden gedauert. In
diesem Telefonat habe ich ausgeführt, dass eine Einspruchsrückname nicht verfahrensökonomisch
sei, weil es ja einen Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gebe; von einem solchen
bin ich bezogen auf den streitgegenständlichen Bescheid irrtümlich
ausgegangen. Vorausgehend habe ich erklärt, dass ich den Einspruch
zurücknehme, wenn auf eine Änderung nach § 164 AO verzichtet werde. Frau Ro.
sagte einige Sekunden nichts, was mich veranlasst hat, zu fragen, ob sie noch
in der Leitung sei. Sie bejahte dies und meinte, sie müsse nachdenken.
Tatsächlich hat sie – davon muss ich ausgehen - in ihre Akte gesehen und
festgestellt, dass ich mich hinsichtlich des VdN irre. Sie antwortete dann
einen Moment später, dass sie meinen Vorschlag nicht aufgreifen wolle. Bestärkt
durch das geschilderte Telefonat habe ich dann wenig später, nämlich um 14:20
Uhr (Eingang in Ihrem Amt) die Aufrechterhaltung des Einspruchs erklärt. Bleibt
anzufügen, dass Frau Ro. in unserem Telefonat sinngemäß angeregt hat, dass ich
die mir gesetzte Frist zur Erklärung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht
ausschöpfen müsse, sondern mich vorher erklären könne. Dies würde die Dinge
beschleunigen.“
Es folgt eine
Einspruchsentscheidung, in der der Rechtsanwalt darauf hingewiesen wird, dass
er eben besser und genauer lesen müsse. Im Finanzamt V. haben sicher die Plastikkorken von ein paar Flaschen Schaumwein der Sonderangebotsklasse geknallt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Rücknahme des Einspruchs wird in der Folge abgelehnt. Das Rechtsstandsprinzip im Allgemeinen und § 89 AO im Besonderen begründeten keine Pflicht zur Aufklärung offensichtlicher Irrtümer. Das schreibt das aus Sicht des Rechtsanwalts mehr als schlecht organisierte Finanzamt V., das kein Problem mit seinem eigenen Versagen hat und zu einem Sachverhalt zwei Bescheide erlässt, was kausal für den Irrtum des Rechtsanwalts ist. Und was sagt der Herr Berichterstatter? Das ist unbedenklich! Es sei ja schon gar nicht klar, dass der Rechtsanwalt sich hätte einigen wollen.
Auf der Grundlage der Haltung des Gerichts nimmt H. den Vorschlag des Senats an, die Klage gegen den zweiten Bescheid zurück, wenn das Finanzamt V. den ersten Bescheid aufhebt und zahlt. Er hatte mit dem sog. Rechtsstaat zunächst abgeschlossen.
Zwischenergebnis Nr. 2: Finanzbeamte dürfen anders als Steuerbürger (durch Unterlassen) täuschen. Und Rechtsanwälte darf man sowieso hinter die Fichte führen. Manche Richter finden das gut Zu diesen gehört möglicherweise auch der Herr Berichterstatter.
Fall zu Ende?
Mitnichten! Es folgt ein Bescheid über Hinterziehungszinsen. Die in einem Teil
C. genannten Grundlagen der Zinsberechnung weichen um etwa 4.000,00 EUR von der
festgesetzten Schenkungsteuer ab. Es wird Einspruch eingelegt, Erläuterung nach
§ 364 AO erbeten und Erörterung des Sach- und Rechtsstands vor der Entscheidung
über den Einspruch nach § 364a AO beantragt. Antwort: Der Rechtsanwalt solle gefälligst Teil
C des Bescheids lesen, zu erörtern gäbe es nichts. Er wartet nun auf eine
Antwort auf seine Dienstaufsichtbeschwerde, die er bei der Vorsteherin des
Finanzamts V., Frau Kö., angebracht hat. Antwort hat er bisher nicht. Er
ahnt aber, was kommt.
Zwischenergebnis Nr. 3: Sorgfalt kann und darf von einem Finanzbeamten nicht erwartet werden.
H. will jetzt,
dass die Nichtigkeit des zweiten Bescheids festgestellt wird. M. a. W.: Der Fall wird komplett neu aufgerollt.
Mein Fazit: Manche Behördenmitarbeiter und auch Richter haben jeden moralischen und rechtlichen Kompass verloren; wenn sie denn je einen hatten. Ein mit dem Rechtsanwalt schon länger bekannter pensionierte Vorsitzender eines Senats eines nicht in D. ansässigen Finanzgerichts erwähnte im hier fraglichen Zusammenhang noch das in Deutschlans aus der Mode gekommene Wort "Anstand".